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Neu relevant wurde meine Orientierung dann mit der Pubertät, mit dem Erwachen erwachsener Sexualität. Mitte der Siebziger Jahre, ich so etwa 13, 14 Jahr alt, habe ich das Spiel mit dem Dicksein für mich ‚perfektioniert', eine Episode übrigens, die beim Zurückdenken durchaus peinliche Gefühle hinterläßt. Mit einem ausgeleierten Schlafanzug, etlichen Kissen verschiedener Größe, einem Bademantel und Gürteln habe ich mich als dicker Mensch, als Mann, später auch als Frau, ausstaffiert, die Bewegungen, die Fülle genossen... . Oft war die Angst dabei, entdeckt zu werden, verrückterweise war mir die Vorstellung, andere könnten das entdecken, schlimm; für mich selbst waren diese Spiele etwas Normales, ja Schönes. Selbstverständlichkeit und Scham. Der Traum: Mal einen ganzen Tag lang "Dick-Sein" spielen können, die Eltern unterwegs, ohne Angst, entdeckt zu werden. Und verrückterweise empfand ich bei diesen Spielen etwas Schönes, Erregendes, ohne es je mit Sexualität in Berührung zu bringen.Sicher: Ich war in Elternhaus und in der Schule früh 'aufgeklärt' worden. Aber die Verbindung zwischen den technischen Erläuterungen hier und den schönen Gefühlen dort war mir nie in den Kopf gekommen...
... bis zu meinem ersten Orgasmus mit etwa 14,15 Jahren. Der 'überkam' mich genau bei so einer "Dicksein-Session", ich saß auf einmal da, der Samen floß - und mein Kopf bringt die Verbindung zum erstenmal auf den Begriff: Aha, das ist also Sex. Und die Erfahrung war bei aller Überraschung und trotz eines etwas schalen Nachgeschmacks überwältigend und schön. Bis zum Ende der 70er Jahr, also bis zu einem Alter von 18 Jahren waren für mich solche Dick-Sein-Sessions immer wieder eine meist schöne Möglichkeit, meine Sexualität zu leben, zunehmend freilich mit dem Bewußtsein verbunden, etwas Unnormales, Ver-rücktes zu tun. Ich kann mich noch erinnern, dass ich immer wieder versucht habe, herauszufinden, ob meine jüngeren Geschwister ähnliche ‚Praktiken' und Vorlieben hatten wie ich, ohne einschlägiges Ergebnis. Dass ich mit irgendjemand darüber reden hätte können (oder wollen), war freilich jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Heute denke ich mir manchmal, wenn ich doch damals nur die Möglichkeit gehabt hätte, im Internet zu suchen, zu finden, dass ich mit dieser Vorliebe, mit dieser Gestalt der Sexualität nicht allein gewesen wäre.
Verliebt war ich in jenen Jahren oft, oft unglücklich - und immer in schlanke, "normale" Mädchen. "Auslöser", wenn überhaupt man das so analytisch sehen kann (und keine Frage: ich habe das damals alles andere als analytisch erlebt...), waren Gesten, ihr Lachen, ihr Können (Musik, Sport...) oft schon: ihre Ausstrahlung, ich schüchterner kleiner Bub war oft in selbstbewußt und stark auftretende Mädchen verliebt... . Ob sie dick waren oder nicht, hat keine Rolle gespielt. Umgekehrt sogar: Die wenigen dicken Mädchen in der Schule, in meinen peer-groups habe ich relativ bewußt als unattraktiv empfunden - wohl weil sie das objektiv auch waren, kein rundes Körperbewußtsein, sondern eher Verstecken des eigenen Dick-seins..., wohl auch, weil sie genau deswegen nicht zu den selbstbewußten Mädchen mit Ausstrahlung gehörten, wohl auch, weil ich die Ideale meines Umfelds übernommen hatte und über meine Empfindungen gelegt. Also: Meine Sexualität mit Fantasien, mit Selbstbefriedigung, mit Träumen - und die ersten Erfahrungen, verliebt zu sein, haben sich in zwei Paralleluniversen abgespielt.
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Es muß wohl 1976 gewesen sein, als ich das Zeichnen als Ausdrucksmöglichkeit für meine Sexualität entdeckte, verbunden damit, dass meine Vorliebe für Dicke immer deutlicher heterosexuelle Züge annahm. Ein Auslöser war das Foto einer recht molligen Bekannten der Familie, das ich abzuzeichnen versuchte, schon damals mit der Tendenz, die Kopie dicker als das Original zu malen. Ich erinnere mich auch an die Skizze einer molligen Frau aus der Frauenzeitschrift "Brigitte", die ich nachzeichnete und von Bild zu Bild immer dicker werden ließ - erste, ungelenke Malversuche, die aber, wie ich jetzt erst nach-denkend bemerke, manche Züge meiner gegenwärtigen Fantasien bereits in sich tragen. An dem Nachmittag, an dem jene Skizzen enstanden, war dann noch Unterricht in der Schule, ich weiß noch heute, dass mich meine Fantasien die ganze Zeit hindurch nicht losliessen, ich muß wohl mit rotem, glühenden Kopf dort gesessen sein... . Ob wohl meine Ausdrucksmöglichkeiten mit "Kissen" und "Kunst", meine bald ausgeprägten und für mich schönen Praktiken der Auto-Sexualität auch dazu beigetragen haben, dass die beiden Paralleluniversen so unberührt nebeneinander existieren konnten? Ich ahne es immer mehr. Vielleicht hat diese Parallelwelt mich kleinen, unerfahrenen Jungen davon entlastet, um Mädchen werben zu müssen: Ich hatte ja ‚meins'. - So wie ich das eben aufzeichne, weht mir der ‚Geruch' meiner Jugend durch die Sinne: Ich merke, dass diese Erfahrungen und Fantasien eine wichtige und ganz, ganz eigene Komponente meines Heranwachsens sind. Ich schreibe über etwas lange kaum Thematisches, das jetzt an die Oberfläche drängt. Aber ich schreibe damit eng verbunden über mich und meine Jugend, über das, was da war und da ist - und rieche die Gerüche unseres Hauses, streune durch den wilden Garten in der Nachbarschaft, lese auf der Wiese Hesse - und male, habe jene Fantasien. Ich beschreibe mein Eigenes.
Immer wieder voyeuristische Erfahrungen nebenbei: An unserem Haus vorbei gingen täglich hunderte von Schülerinnen und Schüler zu einer nahegelegenen Schule. Immer wieder das Spähen nach dicken Mädchen. Und ein dickes Mädchen kam immer sicher freitag-nachmittags nach dem Unterricht vorbei: Ich habe darauf geachtet, sie nicht zu verpassen...
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