4. STUDIUM: DIE GESCHICHTE MIT B. BEGINNT...

Auch neue Bekanntschaften im Studium trugen zunächst nur dazu bei, das Bild der unglücklichen, wenig selbstbewußten und komplexbeladenen Dicken zu stärken - attraktiv waren die dicken Frauen, die ich im Studium kennenlernte, für mich nicht, schon gar keine Alternative zur noch immer attraktiven und geliebten M. Erst nach über einem Jahr weg von zuhause, erst mit knapp 20 Jahren begann ich Distanz zu M. zu gewinnen, mich neu für andere Frauen zu öffnen. Und bald war da nach kurzen Intermezzi B., meine jetzige Frau. Ein Jahr nach mir am Studienort ‚aufgetaucht', noch ein gutes halbes Jahr nebeneinander gelebt, ohne uns groß zu beachten - erst dann, im Frühjahr 1983 hatte es zu funken begonnen - aber wie! B. war (und ist!) selbstbewußt, eine Frau mit großer Ausstrahlung, hatte damals selbständig Gruppenreisen nach Spanien organisiert, B. war (und ist) Sportlerin - und schlank. Nun: Ich kann mich noch gut an einen Eindruck von ihr erinnern, Anfang 1983, noch bevor wir uns gefunden hatten: Da hatte mich auch und gerade ihre weibliche Figur fasziniert: Sie hatte nicht die schmalsten Hüften, nicht die kleinsten Brüste - aber keineswegs mollig oder pummelig. Immer wieder bei mir die Hoffnung: Vielleicht finden ihre weiblichen Formen und meine Sexualität zusammen. Und noch eine Erinnerung aus der Anfangszeit: B. hatte eben mit Leistungssport aufgehört, sprach von der körperlichen Umstellung, auch von der Gefahr, zuzunehmen. Ach, dachte ich damals, ich hätte nichts dagegen. Gesagt freilich habe ich nichts.
Warum B.? Ich hatte und habe viele, viele Gründe, denke ich bis heute, mich in sie zu verlieben. Neben den angedeuteten - Ausstrahlung und weibliche Figur - sind es ihre Intelligenz, Reflexionsfähigkeit, ihr schönes Gesicht, ihre natürliche, gerade Art, der ich sehr viel an eigenem Selbstbewußtsein verdanke, und viel, viel mehr noch. Eine Rolle hat wohl auch gespielt, dass es nach Jahren unerfüllter Liebe einfach sehr schön war, erfüllt zu lieben, auf Resonanz zu stoßen, geliebt zu werden mit allen Dimensionen, dass da nicht nur von mir, sondern auch von B. Initiativen ausgingen... . Zärtlichkeit und körperliche Nähe haben in dieser Anfangszeit unserer Beziehung (und mit manchmal wechselnder, aber doch kontinuierlicher Intensität bis heute) eine große Rolle gespielt, der eigentliche Sex dagegen kaum. B. hatte es trotz ihres schlanken, aber wegen ihres weiblichen Körpers nicht leicht mit ihrem körperlichen Selbstbild, fühlte sich leicht unwohl oder zu dick, wenn ich richtig sehe, auch eine Folge des Schlankheitsideals in ihrer Familie, sie war daher dankbar dafür, wie behutsam und langsam ich mich ihr annäherte. Und ich hatte auch nicht den ‚Druck', mich drängend oder leidenschaftlich zu geben, blieb mir doch immer noch und immer wieder meine Auto-Sexualität, meine Dicken-Welt. Auch weil wir bald nach dem Beginn unsere Beziehung in zwei verschiedenen Studienorten wohnten, lebte ich unter der Woche in dieser Welt weiter, kaum je mit schlechtem Gewissen, um am Wochenende erste sehr behutsame, sehr zarte Erfahrungen einer gemeinsamen Sexualität mit B. zu machen.

Dass es zwei Welten bleiben könnten, wurde mir vielleicht zum ersten Mal ein dreiviertel Jahr nach dem Beginn meiner Geschichte mit B. klar: B. war am Wochenende bei mir zu Besuch. Und noch am Freitag-Vormittag vor ihrer Ankunft, sah ich in der Stadt eine junge, sehr, sehr dicke Frau. Von ihren schweren Bewegungen und ihrer Figur fasziniert war ich ihr eine ganze Weile durch die Fußgängerzone und durch ein Geschäft gefolgt, sie mit meinen Augen in mich aufsaugend. Bilder, die mich das ganze Wochenende nicht losgelassen hatten. Und da liege ich am Samstag-früh neben meiner B. auf der LuMa am Boden - und die Bilder vom Vortag gehen mir nicht aus dem Kopf, so wunderschön, so zart es mit B. neben mir ist.... . Diese Erfahrung hatte mich die Tage darauf immer wieder beschäftigt: Es war eine eigentümliche Mischung aus leichter Trauer, dass es mir solche dicke Frauen nicht geben könnte - immer geleitet von der oft bestätigten Annahme, dass Frauen entweder selbstbewußt, attraktiv - oder dick seien -, und aus der damals sehr gelassenen Einsicht, neben dem Glück und der zarten Sexualität mit B. einfach die Fantasien meiner Dicken-Welt zu behalten. Schade und traurig finde ich bis heute, dass ich von diesem ‚Doppelleben' B. erst 15 Jahre später erzählen konnte, damals fehlten mir die Sprache dafür, aber vielleicht auch der Leidensdruck.

Auf der Beziehungsebene, in der Dimension der ‚klassischen' Liebe, wie ich die auf das Wachsen von Vertrauen, auf das Wachsen einer gemeinsamen Geschichte gerichtete Liebe gerne nenne, waren es wunderbare und intensive Jahre, Lern- und Reifeprozesse, füreinander sensibel werden, sich einander begeistern. Wie schon in der einseitigen Liebe zu M., so war und ist für mich in der beidseitigen Liebe zu B. von Anfang an Treue und Verläßlichkeit sehr, sehr wichtig - so wichtig wohl, dass sie, komplementär zu meinem "Ventil" des Malens in der autoerotischen Praxis, größere Begegnungen der beiden Paralleluniversen nicht zuließen: Seitensprünge, um meine Fantasien auszuleben, gar der Abbruch meiner glücklichen Liebe zu B. zugunsten einer Suche nach dicken Partnerinnen kam nie in Frage.


5. Voyeurismus, Kampf, Ansätze zur Integration


5. Voyeurismus, Kampf, Ansätze zur Integration
2. Pubertät, Jugend